01.12.2022

Brandschutzmaßnahmen für Hochhäuser: Aktuelle Trends und Technologien

Welche besonderen Brandschutzmaßnahmen brauchen Hochhäuser? Dieser Beitrag informiert Sie über die wichtigsten Herausforderungen, aktuelle Trends und Sicherheitstechnologien, die Gebäudebetreiber kennen sollten.

Vor einigen Jahren sorgte der verheerende Brand in einem europäischen Hochhaus für Diskussionen um die Bedeutung von Brandschutzmaßnahmen in hohen Gebäuden. Der Brand in dem 24-stöckigen Londoner Hochhaus Grenfell Tower, der sich durch feuergefährliche Fassadendämmung rasant ausbreitete, wäre durch entsprechende Maßnahmen vermeidbar gewesen.

Brandschutzmaßnahmen: Schärfere Gesetzesvorgaben für Hochhäuser

In Deutschland wurden als Reaktion auf die Brandkatastrophe gleich mehrere Hochhäuser wegen brennbarer Fassadendämmung vorsorglich geräumt und hunderte Bewohner evakuiert. Für deutlich höhere Sicherheitsstandards sorgten in den vergangenen Jahrzehnten bereits schärfere Gesetzesvorgaben zu Sprinkleranlagen, Rauchwarnmeldern, Baumaterialien und Brandmeldeanlagen. Weiterhin gelten hierzulande Gebäude ab 22 Meter als Hochhäuser und müssen per Gesetz seit Mitte der 1980er Jahre (Hochhaus-Richtlinien – HHR) einen zweiten Fluchtweg aufweisen sowie strikte Vorschriften erfüllen.

Angesichts dieser Vorschriften ist das Sicherheitsniveau von Hochhäusern in Deutschland relativ hoch. Dennoch kommt es auch hierzulande immer wieder zu Bränden in Hochhäusern, welche ein rasches Eingreifen erfordern. Statistiken aus den USA zufolge entstehen 73 Prozent aller Hochhausbrände in Gebäuden, in denen sich eine große Anzahl von Menschen aufhalten: Hotels, Bürogebäude, Sozial­bauten, Studentenwohnheime und Krankenhäuser (NFPA Report). Weiterhin steigt durch den technischen Fortschritt die Zahl der elektrischen Brandherde in modernen Hochhäusern.

Systeme für Brandschutzmaßnahmen für Hochhäuser müssen daher in der Lage sein, einen Brand möglichst schnell zu erkennen und zu lokalisieren, um direkt koordinierte Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten und Menschen sicher aus dem Gebäude zu führen.

IP-Netzwerk-Systeme sind zukunftssicher

Mit Blick in die Zukunft erfüllen digitale Brandmeldeanlagen auf IP-Netzwerkbasis die speziellen Brandschutzrichtlinien in Hochhäusern. Sie erkennen Brände frühzeitig und lokalisieren den Brandherd. Darüber hinaus ermöglichen IP-Brandmeldeanlagen die vollständige Integration von wichtigen Systemen wie Sprinkleranlagen, Sicherheits-Video-Anlagen sowie Zutrittskontrollen. Im Zusammenspiel mit Systemen für Sprachalarm und öffentliche Durchsagen ermöglichen IP-Systeme die präzise und umgehende Evakuierung von Personen aus Gefahrenbereichen. Digitale Brandmeldeanlagen sind einfach erweiterbar und lassen sich schnell an die wechselnden Anforderungen unterschiedlicher Mieter anpassen, etwa in Mehrzweckgebäuden (siehe auch Punkt "Aktueller Trend").

Stichwort Erweiterbarkeit: Hochhäuser erfordern Brandmeldesysteme, die auch große Entfernungen überbrücken können – nicht nur auf der horizontalen Ebene wie ein Fabrikgelände, sondern auch vertikal in die Höhe. Aus Sicht eines IP-basierten Systems besteht kein Unterschied darin, ob vertikale oder horizontale Verbindungen hergestellt werden müssen. Sie sind dazu entwickelt, mit großer Reichweite Komponenten wie Sensoren, Feuermelder und Bediengeräte mit­einander zu verbinden. Einzelne Brandmelder in modernen IP-Systemen wie AVENAR Panel 2000 und 8000 des Herstellers Bosch lassen sich bis zu 40 Kilometer voneinander entfernt installieren und unterstützen die Verwaltung der Brandsicherheit von Hochhäusern in mehreren Zonen. Ein typisches Netzwerk kann bis zu 20 Brandzentralen und 32.000 Brandmelder enthalten.

Hohe Zuverlässigkeit durch redundante Netzwerkverbindung

In modernen Hochhäusern verbinden Brandmeldeanlagen mehrere Tausend individuelle Komponenten wie Brandmelder, Brandmelderzentralen, Relais und Verteiler sowie optische und akustische Signalgeber. Für ein hohes Maß an Zuverlässigkeit bieten IP-Brandmeldesysteme eine voll redundante Netzwerkverbindung zwischen den Komponenten über IP- und/oder CAN-Standard, um auch bei Systemfehlern keinen Ausfall zu riskieren. Darüber hinaus lassen sich digitale Brandmeldesysteme nahtlos in aktuelle Gebäudemanagementsysteme, etwa das von Bosch entwickelte Building Integration System (BIS) oder Lösungen von Dritt­anbietern integrieren. Diese nahtlose Integration erlaubt Gebäudebetreibern einen zentralen Überblick der Gefahrensituation mit Sicherheits­informationen in Echtzeit.

In der Praxis erweisen sich Brandmeldesysteme auf IP-Netzwerkbasis als passende Lösungen für die fünf wichtigsten Herausforderungen bei umfassenden Brandschutzmaßnahmen in modernen Hochhäusern:

1. Evakuierung

Heutzutage bieten viele Hochhäuser Platz für mehrere Tausend Menschen. In diesem Zusammenhang bringen Brandmeldesysteme auf ­IP-Basis nicht nur eine technische Weiterentwicklung, sondern auch einen Quantensprung in der Gebäude­sicherheit. Vollständige Integration zwischen Brandmeldesystemen mit Systemen für Sprachalarm und öffentliche Durchsagen – etwa über die Schnittstelle Bosch Safety Link – erlauben die kontrollierte Durchführung von dynamischen, mehrstufigen Evakuierungs­maßnahmen im Notfall. Gleichzeitig zeigen IP-basierte Systeme den Sicherheitskräften genau, wo sich die Brandquelle oder der Gefahrenherd befindet. Das erlaubt ein strategisches Vorgehen bei den Rettungsmaßnahmen, indem mit der Evakuierung unmittelbar gefährdeter Personen begonnen wird. Anschließend können die anliegenden Stockwerke über und unter dem Brandherd angesteuert werden, bevor die Menschen in den oberen und unteren Stockwerken an der Reihe sind. Diese Mehrstufen-­Evakuierung vermeidet Panik und sorgt dafür, dass Rettungswege und Treppenhäuser nicht verstopft werden.

2. Vermeiden von Fehlalarm

Untersuchungen von Sicherheitsexperten haben ergeben, dass mehr als drei Fehlalarme pro Jahr die Glaubwürdigkeit eines Brandschutzsystems zunichtemachen können, wodurch Gäste die Räumung des Gebäudes bei Feueralarm weniger ernst nehmen. Beunruhigend ist, dass die Experten in 20 Prozent aller Fälle keine genaue Ursache für die Fehl­alarme feststellen können (BRE-Studie "The Causes Of False Fire Alarms In Buildings", 2014). Hier sind IP-basierte Digitalsysteme als Brandschutzmaßnahmen deutlich im Vorteil, denn sie sind durch ihre eingebaute Mehrfach-Verifizierung von Brandquellen bestens gegen Fehlalarm gerüstet.

3. Robustheit gegen Beschädigung

Bei einem tatsächlichen Brand müssen Brandmeldesysteme vor allem in der Lage sein, den Ausfall von Brandmeldern und Zerstörung von Kabeln zu verkraften. Dieses Maß an Robustheit liefern vor allem dezentralisierte Systeme, die im Idealfall auf IP-Basis ausgelegt sind. Solche digitalen Systeme sind in der Lage, auch bei Schäden ihre eigene Integrität zu überwachen und durch eingebaute Redundanz betriebsfähig zu bleiben. Die Brandmelderzentralen AVENAR Panel 2000 und 8000 von Bosch ermöglichen in diesem Zusammenhang eine vollständige Betriebszuverlässigkeit des gesamten Systems. Ihre angeschlossenen Detektoren sind in der Lage, das System blitzschnell und akkurat auf Betriebsrisiken zu testen. Das per EN-54-Richtlinie zertifizierte Sicherheitssystem verfügt über eine robuste Infrastruktur, die bei Ausfall des Stromzugangs weiterhin den Brandschutz gewährleistet. Brandschutzmaßnahmen IP-Netzwerke in der Gebäudetechnik sind leistungsfähig, fiexibel und damit zukunftssicher. Bild: Bosch

4. Schnittstellen zu Gebäude­managementsystemen

Um den Betreibern von Hochhäusern zentrale Kontrolle über alle kritischen Gebäudetechnologien zu ermöglichen, müssen sich moderne Brandschutzsysteme in Gebäudesysteme für Videosicherheit, Zutrittskontrolle sowie mit Systemen für Sprach-Evakuierung integrieren lassen. Die Kombination aus Sprachdurchsagen und Feueralarmsystemen hat die Gebäudesicherheit stark erhöht, vor allem in Hotels, Einkaufszentren und an Flughäfen. In den meisten europäischen Ländern – auch in Deutschland – stellt seit 2013 die EN-54-Richtlinie für Brandmeldeanlagen hohe Sicherheitsansprüche an diese Systeme. Im Vergleich zu Feueralarm mit reinen Alarmsirenen beschleunigen gesprochene Durch­sagen die Arbeit der Rettungskräfte im Fall einer Evakuierung des Gebäudes um bis zu 30 Prozent (David Canter, "Fire And Human Behaviour", 2013).

Der Smart Safety Link von Bosch erreicht ein neues Maß an Gebäudesicherheit, indem er Brandmelde- und Sprachalarmierungssysteme durch eine zentrale Schnittstelle auf IP-Basis (auf Wunsch auch mehrere Schnittstellen) verbindet. Das skalier­bare System lässt sich an die besonderen Gegebenheiten der Anwendung vor Ort anpassen und unterstützt dynamische Evakuierungsabläufe (siehe Punkt 1). Weitere Effizienzsteigerungen für Rettungsmaßnahmen bringt die Integration von Systemen zur Kontrolle der Rauchentwicklung sowie Notfallbeleuchtung in der IP-Netzwerkarchitektur über eine zentrale Plattform wie dem Bosch Building Integration System (BIS). Hierdurch erhalten Rettungskräfte und Sicherheitspersonal zusätzliche Informationen von Kameras und Detektoren, um im Brandfall angemessen und weitsichtig zu reagieren.

5. Skalierbarkeit von Brandschutzmaßnahmen und zukunftssichere Technik

Bevor sich aber Gebäudebetreiber zur Investition in eine neue Brandmeldeanlage entschließen, sollten sie sich genau über die Zukunftssicherheit der gewählten Lösung informieren. Auch in diesem Zusammenhang erweisen sich IP-basierte Netzwerksysteme als passende Antwort, denn sie erfüllen bereits jetzt aktuelle gesetzliche Richtlinien, die in allen europäischen Ländern die Installation von ansteuerbaren Systemen vorsehen, in denen sämtliche angeschlossenen Komponenten jederzeit Informationen zu Geräteart, Standort und Alarmzustand ins Netz senden. Weiterhin leisten sie auch eine nahtlose Integration zukunftsträchtiger Innovationen wie videobasierter Brand­erkennung mit Geräten, die durch Algorithmen und künstliche Intelligenz (KI) in der Lage sind, entstehende Brände sekundenschnell zu erkennen.

Gleichzeitig wünschen sich viele Gebäudebetreiber auch die Möglichkeit, kundenspezifische Lösungen in Gebäudemanagementsysteme zu integrieren. Dies leisten moderne Systeme über Software Development Kits (SDK) wie etwa das Bosch Fire System Interface (FSI) oder durch offene IT-Standards wie OPC. Abgesehen von ihrer zukunftssicheren Integration neuer Technologien lassen sich IP-basierte Lösungen auch leicht erweitern, wenn Neubauten oder zusätzliche Stockwerke in das System kommen. So halten digitale Brandsicherheitssysteme auch künftig Schritt mit der geschäftlichen Entwicklung ihrer Betreiber.

Aktueller Trend: Mehrzweck-Hochhäuser

Der fortlaufende digitale Wandel verändert die Geschäftswelt und stellt die bisherige Trennung zwischen Räumlichkeiten zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen in Frage. Gleichzeitig geht der Trend bei großräumigen Hotels zunehmend zur Integration von Einkaufszentren, Kinos und anderen Unterhaltungsangeboten.

Aus Sicht der Gebäudesicherheit, hat der Trend zum Mehrzweck-Hochhaus zwei unmittelbare Konse­quenzen: Erstens muss das Gebäudemanage­mentsystem des ge­samten Gebäudes in der Lage sein, mit den Systemen der Geschäfte und Dienstleister im Haus zu kommunizieren. Aus diesem Grund sind zukunftssichere Gebäudemanagementsysteme wie das BIS von Bosch darauf konzipiert, mit möglichst allen gängigen Lösungen und Systemen von Drittanbietern kompatibel zu sein. Zweitens handelt es sich bei vielen der Räumlichkeiten in Mehrzweck-Hochhäusern um Mieträume, die für begrenzte Zeit von ihren Betreibern genutzt werden. Daher müssen Sicherheitssysteme in der Lage sein, sich kurzfristig an die besonderen Anforderungen der wechselnden Mieter und Betreiber anzupassen.

Als Antwort auf diese Herausforderungen an Brandschutzmaßnahmen erlauben die modularen Brandmelderzentralen von Bosch eine flexible Anordnung sämtlicher Komponenten. Sollte das Gebäude erweitert werden (siehe Punkt 5), erweist sich die Investition in die Technologie als sicher, denn sämtliche neu veröffentlichten Komponenten sind auch rückwärtig kompatibel. Angesichts des Trends zu Internet-of-Things-Lösungen (IoT) und "Smart Buildings" mit automatisierten Funktionen liefern IP-basierte Sicherheitssysteme die erforderliche Integration neuer Systeme im Mehrzweck-Hochhaus.

Ausblick: Brandschutzmaßnahmen, fit für die Zukunft

Hochhäuser stehen an vorderster Stelle in der Entwicklung urbaner Arbeits- und Lebensräume. In modernen Hochhäusern gehen täglich eine Vielzahl von Menschen unter einem Dach den unterschiedlichsten Aktivitäten nach. Daher ist es kein Wunder, dass Hochhäuser den strengsten baulichen Sicherheitsvorgaben unterliegen.

Bei der Wahl eines Brandmeldesystems für Hochhäuser sollten Entscheidungsträger vor allem auf dessen Integrationsfähigkeit in bestehende Gebäudemanagementsysteme achten und sich für Lösungen entscheiden, die dem Personal die zentrale Kontrolle von Rettungsmaßnahmen und Evakuierung überlassen. Somit sind digitale Systeme und Lösungen auf IP-Basis die einzige logische Alternative für die Zukunft. Schließlich sind sie allein in der Lage, Brandmelderzentralen und Sprach-Evakuierung über eine zentrale Plattform zu integrieren und im Brandfall eine systematische und präzise Evakuierung zu gewährleisten.

Von Johannes Stauber.


Dieser Blogbeitrag wurde von Bauen Aktuell veröffentlicht.
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