
Ursprünglich zur Bewältigung der Not in der Ukraine konzipiert, soll das vom Architekturbüro Cutwork entwickelte modulare Baukonzept ReHome nun auch den weltweiten Wohnungsmangel beseitigen helfen.
Das in Paris ansässige Architekturbüro Cutwork hat ReHome entwickelt, eine modulare Off-Site-Baulösung. Ursprünglich wurde sie zur Bewältigung der Wohnungsnot in der vom Krieg zerrütteten Ukraine konzipiert. Nun jedoch soll sie auch den weltweiten Wohnungsmangel meistern helfen. Cutwork sucht dazu nach Partnern und Bauträgern, die den Bedarf an erschwinglichem Wohnraum auf der ganzen Welt decken wollen und ReHome einen Teil der Lösung sein lassen.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurde ReHome zunächst als kostengünstige, schnell verfügbare Wohnlösung für den Wiederaufbau der Ukraine entwickelt. Sie begann mit einem Demonstrationsprojekt in Lemberg (Lwiw), um das Konzept zu präsentieren. ReHome war bereits durch das Cortex Shelter-Projekt bekannt – Cutworks selbstgebaute, kostengünstige, langfristige „Just add water“-Lösung zur Bewältigung der kritischen humanitären Krise bei der Unterbringung von Flüchtlingen — und war zunächst die Antwort des Studios für den Wiederaufbau eines vom Krieg zerrütteten Landes, nicht nur nach dem Krieg, sondern während des Konflikts, wenn er am dringendsten benötigt wird. Während das Demonstrationsprojekt in Lemberg auf Eis gelegt wurde, erkannte Cutwork das Potenzial von ReHome als ein Projekt mit größerer Reichweite, das helfen soll, die weiter wachsenden Wohnungsnot zu bewältigen, insbesondere in Europa und den USA.
Wohnungsmangel: Mögliche Lösungen
Nach Angaben der National Association of Realtors (1) herrscht in den Vereinigten Staaten derzeit ein Wohnungsmangel von 5,5 bis 6,8 Millionen Einheiten, wobei sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage jedes Jahr vergrößert. In England müssen nach einer von der National Housing Federation (NHF) und Crisis der schottischen Heriot-Watt University (2) in Auftrag gegebenen Schätzung jährlich rund 340’000 neue Wohnungen bereitgestellt werden, von denen 145’000 erschwinglich sein sollten. Dieser Mangel geht zum Teil auf die Neubautätigkeit zurück, die mit dem Bevölkerungswachstum und der Nachfrage nach Wohnraum nicht Schritt halten konnte. Aus Berichten geht hervor, dass der fehlende Zugang zu geeignetem Wohnraum zu Überbelegung führen kann, dass mehr junge Menschen länger bei ihren Eltern leben, dass die Mobilität der Arbeitskräfte leidet, was es für Unternehmen schwieriger macht, Mitarbeiter einzustellen, und dass die Zahl der Obdachlosen steigt.
Modulares Bauen preisgünstiger, einfacher und schneller als herkömmliche Bauverfahren
ReHome ist eine Antwort von Cutwork auf den allgemeinen Wohnungsmangel. Das modulare System kann eine große und wechselnde Zahl von Menschen bequem beherbergen. Denn es ist leicht anpassbar und erweiterbar, um den sich verändernden Bedürfnissen der Bewohner entsprechend mehr Platz zu bieten. Die modulare Architektur ist weitaus billiger, einfacher und schneller herzustellen als eine herkömmliche. Sie lässt sich zudem ohne die zeitlichen oder geografischen Beschränkungen umsetzen, die üblicherweise mit dem Bau von Wohnungen einhergehen.
Cutwork wurde in der Überzeugung gegründet, dass die Städte, in denen wir leben, für eine Welt gebaut wurden, die nicht mehr der heutigen entspricht. Die Projekte des Architekturbüros spiegeln die Überzeugung wider, dass Architekten und Designer ihre Sichtweise auf die Art und Weise, wie Raum zu konzipieren und zu bauen ist, ändern müssen. Danach sollten Architekten Entwürfe finden, die neue Lebensstile und Gemeinschaften des 21. Jahrhunderts unterstützen. Wenn die Herausforderung des letzten Jahrhunderts darin bestand, die Städte vertikal zu verdichten, so besteht die Herausforderung von heute darin, unsere Räume neu zu überdenken, um sie in ihrer Nutzung elastischer zu machen.
Mit modularem Bauen Wohnungsmangel bekämpfen
Die Entwickler von ReHome wollen drei Schlüsselfragen beantworten, die den Wohnungsmangel beseitigen helfen sollen
- Welche Rolle kann die modulare Bauweise außerhalb der Baustelle spielen, um die globale Wohnungsnot ab sofort besser, schneller und kostengünstiger zu bekämpfen?
- Wie können Familien und Gruppen von vier bis sechs Personen in Notunterkünften auf kompaktem Raum zusammenleben und dabei ihre Unabhängigkeit und ihren persönlichen Freiraum bewahren?
- Lassen sich Lösungen so gestalten, dass sie über die gegenwärtigen Bedingungen der Wohnungskrise hinausgehen und auch dann noch nützlich sind, wenn weltweit mehr Wohnungen bereitstehen?

Flexibles, menschenzentriertes Design
Cutwork hat ReHome speziell zur Erfüllung dieser Anforderungen entwickelt. Die aus 27 m² großen modularen Einheiten bestehenden Blöcke lassen sich wie Lego-Steine stapeln. Somit kann ein komplettes Wohngebäude mit bis zu sechs Stockwerken in deutlich kürzerer Zeit und zu geringeren Kosten als in herkömmlichen Bauverfahren entstehen (bis zu 40 Prozent weniger Zeit für die Teams vor Ort, um das Gebäude fertigzustellen). Durch die modulare Bauweise lässt sich ReHome an eine Vielzahl von Bedingungen und Kontexten anpassen. Daher ist eine schnelle Reurbanisierung in unterschiedlichen Umgebungen möglich.
Ein weiterer Schlüssel zu ReHome ist seine Erschwinglichkeit. Antonin Yuji Maeno, Mitbegründer und leitender Architekt von Cutwork, sagt: „Angesichts der Größe der Herausforderung, die vor uns liegt, können wir sehen, wie die Vorfertigung die Kosten für die Schaffung von erschwinglichem, modularem Wohnraum mit Größenvorteilen drastisch reduziert.“
Modulare Baueinheit lässt sich zu fünf Wohnungstypen kombinieren
Cutwork hat außerdem darüber nachgedacht, wie ReHome das Wohlbefinden der Bewohner unterstützen kann. ReHome entstand auch, um einen kompakten Raum für eine Familie von vier bis sechs Personen so zu gestalten, dass jegliches Gefühl der Überbelegung in Notsituationen ausbleibt. Dazu hat das Architekturbüro eine 27 m² große modulare Baueinheit geschaffen. Sie lässt sich zu fünf Wohnungstypen kombinieren, wenn man nichttragende Wände entfernt. Zudem haben die Architekten eine Reihe von Gemeinschaftsräumen entworfen:
Wohnungstypologien
- Einfach: Einzelwohnung (27 m², bis zu vier Personen)
- Doppelt: Seite x Seite Einheit (54 m², bis zu sechs Personen)
- Duplex: Gestapelte Einheit (54 m², bis zu sechs Personen)
- Tetrix: L-Einheit (81 m² bis zu acht Personen)
- Doublex: Kombi-Einheit (108 m², bis zu zehn Personen)
Geteilte Räume
- Eingangsbereich (27 m²)
- Gemeinsame Gemeinschaftsküche (27 m²)
- Treppenhaus-Einheit (8 m²)
- bepflanzter Gemeinschaftsbereich auf dem Dach (27 m²)

Aufbau der Wohneinheiten
Jede Standard-Wohneinheit ist in drei Abschnitte unterteilt. Diese Unterteilung schafft mehr Flexibilität und stellt sicher, dass der persönliche und private Bewohner in der beengten Situation erhalten bleibt. Durch die Eingangstür gelangt man in eine kleine Küche und einen Essbereich. Im mittleren Block befinden sich eine Schlafnische und ein Badezimmer. Der letzte Block ist schließlich ein vielseitig nutzbares Wohnzimmer mit bodentiefen Fenstern und einem Schlafsofa.
Das Badezimmer verfügt über ein Doppeltür-Rahmensystem. Das Bad ist entweder als ein einziger privater Raum abschließbar, oder die Tür zum Schlafzimmer und die Tür zur Küche können in zwei Positionen geschlossen werden, um die Dusche und die Toilette zu kleineren privaten Räumen zu machen. Somit können verschiedene Personen gleichzeitig und unabhängig voneinander die Dusche, die Toilette und das Waschbecken benutzen. Das eröffnet den Bewohnern mehr Flexibilität und Zugang zu den Einrichtungen, ohne dass sie sich in die Quere kommen.

Küche, Bad, Gemeinschaftsräume
Die Loft-Wohneinheit, entworfen für das Demonstrationsprojekt in Lemberg, hat ein Zwischengeschoss, das die Deckenhöhe von drei auf vier Meter erhöht. Über Leitern gelangt man zu diesem Dachgeschoss, wo sich zwei Einzelbetten befinden, die für Paare kombinier- oder für Einzelpersonen abtrennbar sind.
Die Bewohner können zusammenkommen, gemeinsam kochen und essen oder den Raum einfach als Arbeitsraum oder Lounge nutzen. Die Einheit umfasst auch ein kleines, gemeinsam nutzbares Aufnahmestudio.
ReHome soll nicht nur dazu beitragen, den dringlichen Wohnungsbedarf der Gesellschaft zu decken, sondern ist auch so konzipiert, dass es den Anforderungen der Zeit standhält. Die Einheiten können ganze Familien auf kompaktem Raum beherbergen und gleichzeitig komfortable, erschwingliche, gut gestaltete und vielseitige Wohnungen für Gruppen wie Paare, junge Berufstätige, Studenten und ältere Menschen bieten, wenn der Wohnungsmangel einmal Geschichte sein sollte. Bestimmte Wände in allen Wohnungstypen sind als nicht tragend gekennzeichnet und enthalten zudem keine technischen Elemente. Diese Wände lassen sich entfernen, was den Bauherren die Flexibilität gibt, mehrere Einheiten zu kombinieren sowie eine Vielzahl von Wohnungen unterschiedlicher Größe zu schaffen.
Vollständig anpassbare Wohnungen
Der Mitbegründer und leitende Architekt von Cutwork, Antonin Yuji Maeno, drückt es so aus: „Die Idee ist nicht, reine Notunterkünfte zu bauen, die langfristig nicht genutzt werden, sondern qualitativ hochwertige, erschwingliche Wohnungen zu bauen, die die Bevölkerung aufnehmen können und in allen Umgebungen und Situationen Schutz und Sicherheit bieten.“
Bild oben: Rendering der Außenansicht. Bild: Cutwork
Anmerkungen:
- Bramley, G. (2019). Housing supply requirements across Great Britain for low-income households and homeless people: Research for Crisis and the National Housing Federation; Main Technical Report. Heriot-Watt University. https://doi.org/10.17861/bramley.2019.04
- Rosen, Kenneth T.; Bank, David; Hall, Max; Reed, Scott; Goldman, Carson (2021). Housing is Critical Infrastructure: Social and Economic Benefits of Building More Housing. https://www.nar.realtor/advocacy/housing-is-critical-infrastructure
Weitere Informationen: https://cutworkstudio.com/architecture
Dieser Blogbeitrag wurde von Bauen Aktuell veröffentlicht.
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